Gründungsfinanzierung für nachhaltige und soziale Startups

Veröffentlicht am 15. Juni 2016

Fachgespräch am 3. Juni 2016 im Bundestag

Die Startup-Finanzierung erlebt einen rekordverdächtigen Boom: 3,1 Milliarden Euro wurden 2015 in deutsche Startups investiert. Im europaweiten Vergleich liegt die Hauptstadt Berlin bei der Gründungsfinanzierung vor anderen Metropolen wie London und Paris. Wagniskapital, das sogenannte Venture Capital, besitzt eine herausragende Stellung auf diesem Markt. Für die grüne Bundestagsfraktion sind dabei auch die nachhaltigen, langfristig orientierten Unternehmen interessant. In unserem Fachgespräch haben wir uns deshalb, gemeinsam mit Gründer*innen, Analyst*innen und Investor*innen, der Frage gewidmet, ob diese vor besonderen Finanzierungsproblemen stehen und wenn ja, wie diesen begegnet werden kann.

Wie gründen mit wenig Startkapital?

 

Wer ausschließlich mit Eigenkapital arbeitet, muss lange Zeiträume für den Aufbau und das Wachstum des Unternehmens einplanen. Olaf Kehrer, von der O&O-Software GmbH, hält diese Variante aber keineswegs für ein Auslaufmodell, da die hohe Selbstkontrolle über das Unternehmen attraktiv und von großem Vorteil sei. Sein Credo: „Wir wollen aus uns selbst wachsen.“

Ein anderes Modell sind Genossenschaften, sie finanzieren sich über die Einlagen ihrer Mitglieder und gewähren diesen umfangreiche Mitbestimmungsmöglichkeiten. Fairmondo versteht sich als „faire Alternative zu den Marktriesen im Online-Handel“ und lässt seinen Vorstand direkt durch die Mitarbeiter*innen wählen. Der Gründer Felix Weth berichtete, wie das Unternehmen über eine erste Crowdfunding-Runde 200.000 Euro einsammelte und damit schrittweise aufgebaut wurde. Über öffentliche Geldgeber wie die KfW sei hingegen kein Geld erhältlich gewesen, da Genossenschaften nicht für deren Wirtschaftsförderprogramm zugelassen sind. Um in kapitalintensiven Onlinehandel mithalten zu können, müsse Fairmondo seine Kapazitäten erheblich vergrößern. Dafür fehlten bislang aber geeignete Optionen.

Nicole Ludwig, Mitglied des Abgeordnetenhauses und ehemalige Unternehmerin, erzählte von ihren Erfahrungen mit der New-Economy Blase am Anfang der 2000er Jahre. Dort hätten sie und ihre Partner für den Programmdienstleister TeXXas zweistellige Millionenofferten erhalten. Das Gründer*innen-Team hätte diese aber einvernehmlich nicht angenommen, weil sie an einem langfristigen Engagement interessiert waren. Aus heutiger Sicht rät sie aber von Exit-Optionen Gebrauch zu machen und die Gewinne in neue Unternehmen zu investieren.

Neue Risikokultur oder nutzenbasierte Finanzierung?

Startups mit sozialem Anspruch oder ökologischem Innovationspotenzial scheinen für Investor*innen schwer einschätzbar zu sein. Die Frage nach der Risikobereitschaft in Deutschland rückte deshalb in den Mittelpunkt des Fachgesprächs. Dirk Kannacher, designierter Vorstand der GLS-Bank, stellte zunächst fest, dass aufgrund der lockeren Geldpolitik der EZB selten mehr Geld als heute an den Finanzmärkten vorhanden sei. Es gäbe keine Kreditklemme. Stattdessen würde ein Preiskampf um die Anlage dieser Geldmengen toben. Zugleich müsste erst noch gesellschaftlich bestimmt werden, wo dieses Geld auch unter größerem Risiko investiert werden soll. Im Startup-Bereich würde sich die GLS momentan auf die Beratung und Vernetzung von Gründer*innen konzentrieren.

Grüne Startups zeichnen sich durch ihre umweltentlastende Wirkung aus, erklärte Linda Bergset vom Borderstep Institut. Was nachhaltigen Unternehmer*innen oftmals fehlen würde, seien Investor*innen, die mit ihren ethischen Prinzipien übereinstimmen. Umgekehrt würde es diesen an beispielgebenden Benchmarks fehlen, über die eine nachvollziehbare Ertragsperspektive vermittelt wird. Ob grün oder nicht, zwei Finanzierungshemmnisse würden für alle Startups gelten: fehlende betriebswirtschaftliche Kenntnisse bei vielen Gründer*innen sowie ein großer Anteil von Forschung und Entwicklung in der Produkterstellung, der die Liquidität beeinträchtigt.

Vollkommen neue Möglichkeiten des Risikomanagements hätten sich durch das Crowdfunding ergeben, so Markus Sauerhammer von Startnext. Er hofft auf diesem Weg, die berüchtigte Angst vor dem Scheitern lindern zu können. Die Potenziale innovativer Geschäftsideen könnten über Crowdfunding-Plattformen direkt erprobt werden, ohne dass sich Gründer*innen zuvor verschulden müssten. Das Prinzip ist simpel: auf der Crowfunding-Plattform stellt man seine Geschäftsidee vor, wenn diese genügend Menschen überzeugt und sie Geld dafür bereitstellen, wird die Idee realisiert – das Geld dafür hat man dann bereits und ebenso eine breite Überzeugung. Daher tendiert die Insolvenz-Rate bei Crowdfunding-Projekten gegen null. Allerdings sei Deutschland in Sachen Crowdfunding noch Entwicklungsland. Hier könnten wir noch viel von anderen Ländern lernen, zum Beispiel Dänemark mit seinem Kombinations-Fonds.

Nachhaltiges Wirtschaften – mittelständisch, vielfältig, innovativ

Durch spektakuläre millionenschwere Veräußerungen stehen Wagniskapitalgeber*innen im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Moderatorin des Fachgesprächs, Lisa Paus, sieht darin die Tendenz, den etablierten Mittelstand gegenüber der risikoaffinen Startupszene zu polarisieren. Die politische Aufgabe bestünde hingegen darin, Mischformen zwischen beiden zu fördern und zu bewerben. In seiner Zusammenfassung der Diskussion wies Dieter Janecek darauf hin, dass Gründungen durch regionale Eigenheiten stark beeinflusst würden. Während in München die ansässige Technische Universität eine aktive Rolle bei Ausgründungen einnehmen würde, gehören in Berlin eher die günstigen Lebensbedingungen und der Chancenreichtum zu den wesentlichen Triebkräften für Gründungen. Im bundesweiten Überblick würde sich demnach ‚Diversity‘ als wirtschaftlicher Erfolgsfaktor erweisen. Die zahlreichen Anknüpfungspunkte der Diskussionsbeiträge legen nahe, dass eine grüne Politik für Startups darauf abzielen sollte, ein wirtschaftliches und finanzielles Umfeld zu schaffen, in dem ein breites Spektrum von Geschäftsideen und Unternehmensformen prosperieren kann. Der Bekanntheitsgrad von sozialen Entrepreneuren müsse auch von politischer Seite gesteigert werden, hier sei Großbritannien bereits sehr vorbildlich.