Kritik am Infektionsschutzgesetz ist wichtig, Desinformation ist aber gefährlich für die Demokratie

Veröffentlicht am 16. November 2020

Mehr als 2.000, größtenteils krude E-Mails in Sachen Infektionsschutzgesetz in den letzten 7 Tagen, eine für Mittwoch angekündigte Großdemo von Rechtsextremisten rund um Pegida, AfD, NPD und den sog. Querdenkern –  in Berlin und im Posteingang ist derzeit Einiges los.

Einer der Hauptvorwürfe der sog. “Querdenker”: mit dem neuen Infektionsschutzgesetz drohe die heimliche Abschaffung der Demokratie. Richtig ist hingegen: Das Parlament befasst sich intensiv und öffentlich mit dem Infektionsschutzgesetz. Letzten Donnerstag führte der federführende Gesundheitsausschuss eine öffentliche Anhörung durch, heute haben bzw. hatten sowohl der Ausschuss für Wirtschaft und Energie wie der Ausschuss für die Digitale Agenda (als mitberatende Ausschüsse) Sondersitzungen. Weitere mitberatende Ausschüsse tagen ebenfalls. Und am Mittwoch kommt die Debatte dann ins Plenum. Parlamentarismus funktioniert.

Still und leise und an Öffentlichkeit und Parlament vorbei passiert also nichts, im Gegenteil, das Parlament und die Fraktionen ringen um Lösungen. Dieses Ringen ist für eine Demokratie von zentraler Bedeutung, ebenso wie Kritik. Und zu kritisieren gibt es Einiges an den Plänen der Bundesregierung, das zeigte auch die öffentliche Anhörung letzte Woche. So löst der Gesetzesentwurf und insb. auch der besonders umstritten § 28a des Gesetzentwurfs nicht das zentrale Problem der bisherigen Corona-Politik. Denn die Regelungen blieben so rechtlich unbestimmt und ungenau wie die bisherige Rechtslage. Die parlamentarischen Beratungen dazu laufen noch, ebenso natürlich die Beratung zu den mehr als einem Dutzend Anträge und Änderungsanträge, die bislang zum Infektionsschutzgesetz eingebracht wurden, und zwar sowohl von den Koalitionsfraktionen als auch aus den Oppositionsfraktionen.

Wir Grüne setzen uns bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie für eine tragfähige rechtsstaatliche Grundlage ein, die insbesondere auch die Verantwortlichen vor Ort in die Lage versetzt angesichts einer sich dynamisch entwickelnden Situation kurzfristig und situationsangepasst zu reagieren. Wir verlangen grundsätzlich eine stärkere Einbindung der Parlamente, auf Bundes- wie auf Landesebene, wenn es darum geht, Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu beschließen (siehe Antrag: “Rechtsstaat und Demokratie in der Corona-Pandemie” .Bereits im Juli haben wir einen Antrag auf Gründung eines “Pandemierats”, als interdisziplinäres wissenschaftliches Beratungsgremium in den Bundestag eingebracht.

Noch ein Wort in Sachen Grundrechte: Es ist ein weitverbreitetes Missverständnis, dass Rechte, auch Grundrechte nicht eingeschränkt werden können. Kein Recht ist absolut, auch kein Grundrecht. Viele Rechte stehen im ständigen Konflikt miteinander. Der entscheidende Punkt: Grundrechte können keinesfalls willkürlich eingeschränkt werden, sondern nur, um im Fall von Grundrechtskollisionen eine Abwägung zu treffen. Meine Kollegin Manuela Rottmann hat das erst vor kurzem treffend zusammengefasst.

Am Vorgehen der Bundesregierung und auch der Ministerpräsidenten in Sachen Corona gibt es viel zu kritisieren, wir haben als Oppositionsfraktion zu vielem Alternativvorschläge gemacht. Eine Bedrohung für unsere Demokratie sind aber nicht diejenigen, die um beste Lösungen ringen, sondern diejenigen, die absichtlich Falschinformationen und Verschwörungstheorien verbreiten, sich als alleinige “Stimme des Volkes” verstehen, das Ende der Demokratie ausrufen, unseren demokratischen Staat in Frage stellen oder zum Sturm auf den Bundestag aufrufen.

Streit gehört zur Demokratie, gerade auch in einer Pandemie. Bewusste Falschmeldungen und Verschwörungstheorien sind hingegen Gift für die Demokratie.